Bericht zu einer eindrücklichen Veranstaltung

Tagungsbericht – Klöster in Pommern. Stand und Perspektiven der Forschung

Vielfältige Einblicke in die aktuellen Forschungen zu den pommerschen Klöstern, Stiften und Kommenden gewährte eine internationale Tagung, die am 11. und 12. Mai 2023 im Greifswalder Alfried Krupp Wissenschaftskolleg stattfand. Die interdisziplinäre Konferenz, die zum Abschluss der ersten Phase des Forschungsprojekts „Klosterregister und Klosterbuch für Pommern“ durchgeführt wurde, diente einer Bestandsaufnahme der unterschiedlichen Forschungsperspektiven sowie dem fachlichen Austausch der am Projekt Beteiligten und Interessierten.

Von: Anne Krohn | 10. Oktober 2023
Abendverstaltung im St. Nikolaidom in Greifswald / Foto T. Schlott
Abendverstaltung im St. Nikolaidom in Greifswald / Foto T. Schlott

(Dieser Beitrag ist in leicht abgewandelter Form bereits auf der Web-Seite H-Soz-Kult erschienen)

Nach der Begrüßung durch die wissenschaftliche Leitung des Kollegs, Christian Suhm (Greifswald), und die Vorsitzende der Historischen Kommission für Pommern, Jana Olschewski (Greifswald), sowie einem Grußwort von Felix Biermann (Stettin/Szczecin, Halle a. d. Saale), dem Vorsitzenden des Projektbeirats, leiteten Oliver Auge und Katja Hillebrand (Kiel) das Tagungsprogramm mit einer Vorstellung des Forschungsprojekts und Publikationsvorhabens ein. Auge stellte die Ziele des Klosterbuchprojekts, die bisher erfolgten sowie die noch zu realisierenden Arbeitsschritte heraus und dankte den beteiligten Institutionen, Förderern sowie zukünftigen Autorinnen und Autoren des Handbuchs für ihr Engagement, während Hillebrand das inhaltliche Konzept des Klosterbuchs vorstellte. Erwähnung fand dabei auch der pünktlich zur Tagung erschienene Kulturführer „Vorpommern und seine Klöster“, mit dem das Projektteam die Klöster Vorpommerns der interessierten Öffentlichkeit näherbringen möchte.

Prof. Dr. Oliver Auge und Dr. Katja Hillebrand eröffneten die Tagung mit einem Vortrag zum Projekt / Foto T. Schlott
Prof. Dr. Oliver Auge und Dr. Katja Hillebrand eröffneten die Tagung mit einem Vortrag zum Projekt / Foto T. Schlott

Zur Überlieferung der pommerschen Klöster

Die erste Sektion begann Robert Harlaß (Kiel) mit einem Überblick zu der für die Projektarbeit relevanten schriftlichen Überlieferung vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Die zeitgenössischen Quellen umfassten Diplomatarien, Regesten und Kopiale, die v. a. in den Archiven Greifswalds, Stralsunds und Stettins / Szczecin, aber etwa auch in Potsdam zu finden und zu erforschen seien. Das zum Ende des Mittelalters aufkommende Aktenwesen berge darüber hinaus zahlreiche Hinweise zum herzoglichen Umgang mit den Klosterarchiven im Zuge der Säkularisation und helfe bei der Rekonstruktion geistlicher Provenienzbestände. In den im 18. Jahrhundert dominierenden Abschriften fänden sich auch interessante Informationen über den Verbleib einzelner Schriftgüter. Ebenso würden bereits verloren gegangene Dokumente erwähnt. Die Quellen nachhaltig nutzbar und zugänglich zu machen, besäße bei der Projektarbeit einen großen Stellenwert. Das Digitalisieren umfangreicher Regestensammlungen mithilfe des online-tools Transkribus, wie dies bereits im Falle der Regesten Hermann Hoogewegs geschehen sei, führe stets zu neuem Erkenntnisgewinn und sei ein Ziel des Projekts.

Robert Harlaß M.A. referierte zur archivalischen Überlieferung der pommerschen Klöster und Stifte / Foto T. Schlott
Robert Harlaß, M.A. referierte zur archivalischen Überlieferung der pommerschen Klöster und Stifte / Foto T. Schlott
Dr. Andreas Kieseler stellte den Stand der archäologischen Forschung vor / Foto T. Schlott
Dr. Andreas Kieseler stellte den Stand der archäologischen Forschung vor / Foto T. Schlott

Andreas Kieseler (Kiel) legte den aktuellen Stand der pommerschen Klosterarchäologie dar, die mittlerweile eine bedeutende Rolle bei der Erforschung der dortigen Standorte spiele. An zahlreichen Bespielen aus dem deutschen und polnischen Teil Pommerns veranschaulichte Kieseler den beachtlichen Umfang archäologischer und bauhistorischer Untersuchungen sowohl in erhaltenen Klosterbauten als auch an ehemaligen Klosterstandorten, der sich zum einen auf die in den 1990er Jahren einsetzenden Stadtkern- und Gebäudesanierungen, zum anderen auf seit jenem Jahrzehnt an vielen Orten durchgeführte universitäre Forschungsprojekte zurückführen lässt; gleichzeitig sei allerdings auch eine gewisse Zahl an Altgrabungen, etwa jene von Hans Kloer in Eldena oder Eugeniusz Cnotliwy in Kolbatz / Kołbacz, für das Projekt von großer Relevanz. Die Ausgrabungen lieferten, so Kieseler, in vielen Fällen zahlreiche Informationen v. a. zu Lage, Aufbau und Architektur der Klöster, des Weiteren zur Binnengliederung der Klosterbauten, zu den Bestattungsformen und wirtschaftlichen Grundlagen, zur materiellen Kultur und zum Alltagsleben der Klosterbewohner, aber etwa auch zur nachreformatorischen Nutzung der Klostergebäude. Einerseits könne man sich bei der Projektarbeit, so das Fazit, auf eine größere Zahl an umfassend vorliegenden archäologischen Studien stützen; andererseits böte sich nun die Möglichkeit, zahlreiche noch unveröffentlichte Grabungsergebnisse innerhalb des Klosterbuchprojekts aufzuarbeiten.

Zum Ende der ersten Sektion widmete sich Katja Hillebrand (Kiel) dem bau- und kunsthistorischen Erbe der pommerschen Klöster. Im Falle der wenigen noch erhaltenen Klosteranlagen ginge es zunächst um eine allgemeine Katalogisierung, die Sammlung von Informationen zum Baumaterial, die Bestimmung einzelner Bauphasen und eine stilkritische Untersuchung, die architektonische Ähnlichkeiten mit anderen Bauten aufzeigen könne. Hierbei ließen sich u. a. Transferleistungen von Mutterabteien zu den Filiationen, aber auch der architektonische Einfluss von Klöstern auf ihre unmittelbare Umgebung vermuten, wie das Beispiel der Pfarrkirche im hinterpommerschen See Buckow / Bukowo Morskie zeige. Trotz zahlreicher Kriege und Zerstörungen, die die pommerschen Klöster und Stifte trafen, seien qualitätvolle Inventarstücke erhalten geblieben. Hillebrand gab zudem interessante Einblicke in die Provenienzforschung und die Frage nach einzelnen Werkstätten und Werkstattkreisen.

Die Pfarrkirche in See Buckow; das aufwendige Sternrippengewölbe könnte auf den Einfluss der zisterziensischen Bauhütte hinweisen; Blick nach Nordosten / Foto K. Hillebrand
Die Pfarrkirche in See Buckow; das aufwendige Sternrippengewölbe könnte auf den Einfluss der zisterziensischen Bauhütte hinweisen; Blick nach Nordosten / Foto K. Hillebrand

Die Klöster und die pommersche Landesherrschaft

Im Fokus der zweiten Sektion standen die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Klöstern und der pommerschen Landesherrschaft, denen sich zunächst Rafał Simiński (Stettin / Szczecin) näherte. Vor dem Hintergrund der herzoglichen Stiftungen und den diesen zugrundeliegenden Motivationen verglich er die jeweiligen Verhältnisse der Herzöge zu den Prämonstratensern in Belbuck / Białoboki, zu den Augustiner-Eremiten in Neustettin / Szczecinek und zu den Kartäusern bei Rügenwalde / Darłowo. Ersteren sei eine besonders einflussreiche Stellung innerhalb des herzoglichen Herrschaftsbereichs zu attestieren, die es den Äbten ermöglicht habe, als Berater und enge Vertraute der Herzöge zu agieren.

Von dem Kloster der Augustiner-Eremiten vor der Stadt Neustettin ist nichts mehr zu sehen. Der ehemalige Standort auf einer Anhöhe am Streitzig-See / Trzesiecko / Foto A. Kieseler
Von dem Kloster der Augustiner-Eremiten vor der Stadt Neustettin ist nichts mehr zu sehen. Der ehemalige Standort auf einer Anhöhe am Streitzig-See / Trzesiecko / Foto A. Kieseler

Im Anschluss daran stellte Jasmin Hoven-Hacker (Göttingen) die Wege der herzoglichen Töchter in die pommerschen Klöster dar. Dabei illustrierte sie u. a. die oft lückenhafte Quellenüberlieferung am Beispiel der Tochter Bogislaws IV., Jutta, die Äbtissin der Krumminer Zisterzienserinnenabtei war. Um welche Töchter es sich genau handelte und aus welchen Gründen diese ins Kloster geschickt wurden, sei nicht immer eindeutig zu bestimmen. Die vorherrschende Annahme, es habe sich hierbei um ausschließlich „heiratsunwürdige“ Kandidatinnen gehandelt, sei von Denkmustern des 19. Jahrhunderts geprägt. Es gelte, auch nach anderen Erklärungen zu fragen, beispielsweise, inwiefern es sich um von territorialpolitischen Überlegungen getragene Entscheidungen der Herzöge gehandelt haben könnte.

Die pommerschen Städte und ihre Klöster

In der dritten Sektion beleuchtete Ralf Lusiardi (Magdeburg) das Zusammenwirken von Klosterkonventen und städtischer Gesellschaft ausgehend von Zeugnissen religiöser Stiftungen und Schenkungen. Quellengruppen von hoher serieller Qualität lägen nur ausnahmsweise vor, was eine Beobachtung langfristiger Veränderungen erschwere. Auf inhaltlicher Ebene bediente Lusiardi vor dem Hintergrund der erstarkenden Städte im 14. Jahrhundert und der zunehmenden Erschließung der Klöster durch die Stadtbürger das Bild der „dynamischen Symbiose“. Beide Seiten hätten voneinander profitiert. Insbesondere im Hinblick auf die Frage, wie das Stifterinteresse auch nach dem Ableben dauerhaft sichergestellt werden könne, sei die Beziehung allerdings auch konfliktreich gewesen. Im Ringen um städtischen Einfluss auf die Klöster seien die Sphären ‚Kloster‘ und ‚Stadt‘ zunehmend verschmolzen.
Die Johanniskirche in Stargard, einst unter dem Patronat der Johanniter / Foto R. Harlaß
Die Johanniskirche in Stargard, einst unter dem Patronat der Johanniter / Foto R. Harlaß

Diese Entwicklung habe sich auch in der äußerlichen Gestaltung der Klosterbauten niedergeschlagen, wie Agnieszka Lindenhayn-Fiedorowicz (Berlin) im sich anschließenden Vortrag überzeugend darstellen konnte. Sie betrachtete das Verhältnis von Ordensniederlassung zu Stadt anhand der baulichen Elemente und Umgestaltungen der Stargarder Johanniterkirche, des heute nicht mehr erhaltenen dortigen Augustiner-Eremiten-Klosters und der Stettiner Johanniskirche der Franziskaner. Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts hätten die Gebäude nicht nur aus rein praktischen Gründen städtischer Nutzung unterlegen, sondern sich zur „Projektionsfläche eines wachsenden städtischen Selbstbewusstseins und kommunalen Repräsentationsbedürfnisses“ entwickelt. Vermehrte bürgerliche Stiftungen von imposanten Altären, die Umgestaltung des Innenraums im Sinne einer bürgerlichen Nutzung sowie reicher äußerlicher Baudekor – auch bei den Bettelordenskirchen feststellbar – seien nicht als „Verfall der Ideale“, sondern im Zusammenhang mit einem Bedeutungszuwachs der Städte innerhalb der hansischen Strukturen zu begreifen.

In Stralsund seien jener reichen und imposanten Bildkunst dann die Plünderungen und Verwüstungen im Zuge des bürgerlichen Aufruhrs von 1525 zum Verhängnis geworden, wie Burkhard Kunkel (Stralsund) im Anschluss ausführte. Er behandelte die bildkünstlerische Ausstattung der Stralsunder Stadtklöster anhand der wenigen erhaltenen Werkstücke aus dem Birgittenkloster Marienkrone, dem Dominikanerkloster St. Katharinen und dem Franziskanerkloster St. Johannis. Dort, wo klösterliche Räume nach der Reformation ihrer neuen Nutzung angepasst wurden, Malereien übertüncht und bewegliche Bildwerke umgearbeitet oder an einen anderen Ort verbracht wurden, werde sich heute um die professionelle Rekonstruktion bemüht.

Musikgeschichte und musikalische Praxis in der Greifswalder St. Nikolaikirche

Die Ausführungen zum gesungenen Wort von Prof. Dr. Matthias Schneider und ein dazu passendes eindrucksvolles Abendkonzert vom Gesangstrio "Stella Nostra" beendeten den ersten Tagungsabend in der Greifswalder Nikolaikirche / Foto T. Schlott
Die Ausführungen zum gesungenen Wort von Prof. Dr. Matthias Schneider und ein dazu passendes eindrucksvolles Abendkonzert vom Gesangstrio "Stella Nostra" beendeten den ersten Tagungsabend in der Greifswalder Nikolaikirche / Foto T. Schlott

Am Abend des ersten Konferenztages fanden sich die Tagungsteilnehmenden im benachbarten Dom ein, um hier dem öffentlichen Abendvortrag von Matthias Schneider (Greifswald) zur klösterlichen Liturgie beizuwohnen. Schneiders interessante Ausführungen zum Gesang von Mönchen und Nonnen in den mittelalterlichen Klöstern bildete eine gelungene Hinleitung zu dem darauffolgenden Konzert des Ensembles Stella Nostra (Berlin). Anschaulich stellte Schneider jene überlieferten Fragmente von Proprien aus pommerschen Klöstern vor, die im Zuge der Projektarbeit bearbeitet und sortiert, und in Zusammenarbeit mit dem Ensemble für das Konzert inszeniert wurden – beispielsweise ein der Heiligen Anna geweihter Hymnus, womöglich aus dem ehemaligen Zisterzienserkloster Eldena.

Anhand dieser Quellen veranschaulichte er die wichtigsten liturgischen Charakteristika und die Einbettung dieser Gesänge in die Abläufe des regulierten geistlichen Lebens. Im Anschluss erklang der mehrstimmige Gesang des Ensembles Stella Nostra auf beeindruckende Weise bei Kerzenschein in der imposanten Kirche.

Am Abend wurde vor dem Konzert die neue Publikation des Projektteams vorgestellt. Sie richtet sich an alle, die in die vorpommersche Klostergeschichte eintauchen wollen: Vorpommern und seine Klöster
Am Abend wurde vor dem Konzert die neue Publikation des Projektteams vorgestellt. Sie richtet sich an alle, die in die vorpommersche Klostergeschichte eintauchen wollen: Vorpommern und seine Klöster

Regional verbunden, überregional vernetzt

Den zweiten Tagungstag und die vierte Sektion eröffnete Felix Biermann (Stettin / Szczecin, Halle a. d. Saale), der ausgewählte Aspekte der archäologischen Forschungen an den Prämonstratenserstiften von Grobe auf Usedom und Belbuck / Białoboki in der heutigen Woiwodschaft Westpommern / województwo pomorskie mit Blick auf regionale Verflechtungen der Konvente skizzierte. Beide Standorte hätten sich in bewusster Nähe zu einem politisch und wirtschaftlich bedeutenden Platz entwickelt. So hat sich Grobe nahe der in spätslawischer Zeit bedeutenden pommerschen Burgstadt Usedom befunden, innerhalb einer umfriedeten, von Handwerk und Handel geprägten Siedlung, vermutlich einer deutschen Kaufmannssiedlung. Die Prämonstratenser in Belbuck / Białoboki hätten außerdem von dem ostsiedlungszeitlichen Landesausbau profitiert und diesen aktiv vorangetrieben.

Prof. Dr. Felix Biermann berichtete von den Ausgrabungen auf dem Gelände der oberflächlich verschwundenen Stifte in Belbuck und Grobe / Foto T. Schlott
Prof. Dr. Felix Biermann berichtete von den Ausgrabungen auf dem Gelände der oberflächlich verschwundenen Stifte in Belbuck und Grobe / Foto T. Schlott

Die Verbindung regionaler Perspektiven mit überregionalen Merkmalen stellte auch Emilia Jamroziak (Leeds) in ihrer Betrachtung der Zisterzienserinnen in Köslin / Koszalin und Wollin / Wolin in den Fokus. Vor dem Hintergrund der sich in den letzten dreißig Jahren gewandelten Forschungsschwerpunkte schlug sie neue Perspektiven für zukünftige Fragestellungen zum weiblichen Klosterleben vor.

So sollten die Zisterzienserinnen im pommerschen städtischen Kontext „beyond economic interpretations“ betrachtet, die regionale Fokussierung mit überregionalen Deutungsansätzen weiblichen geistlichen Lebens verbunden sowie die mittelalterliche und nachmittelalterliche klösterliche und stiftische Geschichte Pommerns gemeinsam in ihrer Kontinuität erforscht werden.

Prof. Dr. Emilia Jamroziak referierte zu den pommerschen Zisterzienserinnenklöstern in Wollin und Köslin / Foto T. Schlott
Prof. Dr. Emilia Jamroziak referierte zu den pommerschen Zisterzienserinnenklöstern in Wollin und Köslin / Foto T. Schlott

Christian Gahlbeck (Berlin) schloss die Sektion mit einer Betrachtung der Johanniter diesseits und jenseits der Oder. Ausgehend von Werben, der ersten Komturei im nördlichen Europa, zeichnete er die weiteren Gründungen und ihre Standorte, aber auch ihre Verlegung, beispielsweise aufgrund von Konkurrenz zu anderen Ordensgemeinschaften oder Auseinandersetzungen mit der herzoglichen Landesherrschaft, nach. Er konnte so die Einbindung der Johanniter in die Ballei Saxonia-Marchia-Slavia-Pomerania vom 12. bis in das frühe 15. Jahrhundert illustrieren.

Internes Leben und externes Wirken

Das interne Leben und externe Wirken der Klöster und Stifte in Pommern wurde in der folgenden Sektion, der fünften Sektion, anhand eindrücklicher Beispiele aus Sphragistik, Epigraphik und Kodikologie diskutiert. Martin Schoebel (Schwerin) konstatierte, es hätten sich von etwa zwei Dritteln der pommerschen Klöster seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Siegel erhalten. Von klösterlichen Vorstehern seien im Vergleich zu den Konventen wesentlich mehr Siegel vorhanden, vor allem, wenn jene Amtsträger und Amtsträgerinnen mit Sonderaufgaben beauftragt wurden oder in fremden Angelegenheiten die Beurkundungen Dritter beglaubigten. In der Gestaltung lasse sich meist eine Orientierung an Ordensgebräuchen und „wenig Originalität“ beobachten, wobei sich insbesondere an den Siegeln der Zisterzienser auch die Phasen wirtschaftlicher Stabilität oder Krisen ablesen ließen.

Konventssiegel des Zisterzienserklosters auf Hiddensee, Landesarchiv Greifswald Rep. 1 Kloster Hiddensee Orig. Nr. 228 / Foto R. Harlaß
Konventssiegel des Zisterzienserklosters auf Hiddensee, Landesarchiv Greifswald Rep. 1 Kloster Hiddensee Orig. Nr. 228 / Foto R. Harlaß

Inschriften standen im Zentrum des Beitrags von Christine Magin (Greifswald). Anhand erhaltener Grabplatten lassen sich, ihren Ausführungen zufolge, nicht nur feststellen, wem diese kostspielige letzte Ehrung gewährt wurde, sondern auch die übliche Praxis der Überführung an neue Standorte sowie der Weiternutzung und der Neubeschriftung beobachten. Ähnlich lautende, aber meist nach der Reformation an einen neuen Standort verbrachte Inschriften an verschiedenen Altarretabeln sowohl im ländlichen als auch städtischen Raum wurden von Magin gegenübergestellt. Damit konnte sie nicht nur die Relevanz klösterlicher Inschriften bezüglich frömmigkeitspraktischer Aspekte und den Transfer von theologischem Wissen, sondern auch die offenbar gängige Verwendung des Niederdeutschen in städtischen Klöstern zeigen.

Ansicht der Stadt Stralsund vor dem Dreißigjährigen Krieg, gezeichnet um 1740, Pristaff'sche Fälschung, Landesarchiv Greifswald, Rep. 40 III 231c Bl. 287 / Foto R. Harlaß
Ansicht der Stadt Stralsund vor dem Dreißigjährigen Krieg, gezeichnet um 1740, Pristaff'sche Fälschung, Landesarchiv Greifswald, Rep. 40 III 231c Bl. 287 / Foto R. Harlaß

Matthias Eifler (Leipzig) präsentierte Ergebnisse aktueller Kleinsammlungsprojekte des Leipziger Handschriftenzentrums, indem er mehrere herausragende Funde von Handschriften und Fragmenten aus dem Stadtarchiv Stralsund vorstellte. Er lenkte das Augenmerk dabei wiederholt auf äußerliche Merkmale, die bei der Bestimmung der Provenienz und des Entstehungskontexts hilfreich seien, etwa originale Titelschilder, Spuren ehemaliger Kettenbefestigungen, Einbandmakulaturen oder Schreibersprüche. Die beispielhaften Betrachtungen, die unter anderem Reste der wahrscheinlich ältesten noch erhaltenen liturgischen Stralsunder Handschrift – ein Missalefragment aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts – beinhalteten, verdeutlichten den hohen Wert solcher Kleinsammlungsprojekte.

Die Reformation in Pommern

Die sechste Sektion fokussierte die Reformation und ihre Auswirkungen auf die Klöster und Stifte Pommerns. Dirk Schleinert (Stralsund), vertreten von Robert Harlaß (Kiel), erklärte hierbei zunächst, wie die Auflösung und teilweise Umwidmung der Klöster auf politischer Ebene vollzogen wurde. So sei die auf dem Landtag zu Treptow an der Rega 1534 beschlossene Säkularisation der Klöster trotz des noch andauernden adligen Widerstands bereits im darauffolgenden Jahr weitgehend realisiert worden. Innerhalb der Städte erfolgte eine rasche Einbindung der ehemaligen Klosteranlagen in die kommunalen Strukturen. Obwohl die Klöster nun herzoglicher oder städtischer Verwaltung unterlegen hätten und damit vielfältige neue Nutzungsweisen – sei es als Nebenresidenz der Herzöge, Armenhaus oder Universitätsgebäude – sowie bauliche Veränderungen einhergegangen seien, hätten die meisten pommerschen Klosteranlagen am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges noch bestanden.

Mario Müller (Hildesheim) befasste sich ergänzend speziell mit dem Nachleben der Frauenklöster in Bergen auf Rügen, Kolberg / Kołobrzeg, Marienfließ / Marianowo, Stolp / Słupsk und Verchen.

Dabei zeichnete er die wesentlichen Entwicklungen der Anlagen, die teilweise als „Zuchtschulen für adlige Frauen“ weitergenutzt wurden, von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis in das frühe 20. Jahrhundert nach und erläuterte anhand prägnanter Quellenbeispiele die wesentlichen Merkmale des Alltags der Mädchen und Frauen. Zwischen dem Adel und der städtischen Bürgerschaft habe dabei stetes Konfliktpotential bestanden, da beide Parteien ihre Töchter in den ehemaligen städtischen Klöstern untergebracht und ausgebildet wissen wollten.

Der Chor des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters und Damenstifts Marienfließ / Foto R. Harlaß
Der Chor des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters und Damenstifts Marienfließ / Foto R. Harlaß

Wie Ordens- und Klosterforschung voneinander profitieren können

In seinem spannenden Abendvortrag näherte sich Mirko Breitenstein (Dresden) den Klosterbüchern aus Sicht der Ordensforschung. Ausgehend vom Dialog über Wunder des Zisterziensers Caesarius von Heisterbach gelang es ihm, die spezifischen Interessen der Kloster- beziehungsweise Ordensgeschichte und ihre wechselseitige Beziehung aufzuweisen. Bei Fragen zu der Gründungsphase religiöser Gemeinschaften, der Ökonomie, Frömmigkeitspraxis oder auch der Liturgie und dem Habit müssten Klosterbücher als „überaus wichtige Instrumente“ der Erfassung und Vermittlung von Informationen gelten. Obgleich Ordensgeschichte und Klosterbücher unterschiedliche Erkenntnisinteressen verfolgen, Orden überregional organisiert, Klosterbücher hingegen regional orientiert seien, sei beides doch in einem Zusammenhang zu verstehen. Um das Potential von Klosterbüchern für die Ordensgeschichte zu erhöhen, plädierte Breitenstein für die Entwicklung einer „Vernetzungsinfrastrukur“, die bisherige Forschung erfassen, kanalisieren und v. a. auf digitaler Ebene zugänglich machen solle, sowie für den Versuch, die reichhaltigen Materialien und Daten der Klosterbücher in Form sinnstiftender Erzählung „zum Sprechen zu bringen“.

Dr. Katja Hillebrand und Prof. Dr. Oliver Auge resümierten die Tagungsergebnisse und verabschiedeten die Fachwelt und die Interessierten der pommerschen Klosterforschung / Foto T. Schlott
Dr. Katja Hillebrand und Prof. Dr. Oliver Auge resümierten die Tagungsergebnisse und verabschiedeten die Fachwelt und die Interessierten der pommerschen Klosterforschung / Foto T. Schlott

Stand und Perspektiven der Forschung

Oliver Auge und Katja Hillebrand (beide Kiel) betonten abschließend das große Forschungspotential, das sich im Laufe der Tagung deutlich gezeigt habe, und lobten den fruchtbaren wissenschaftlichen Austausch.

Mit den interessanten, perspektivisch vielschichtigen Eindrücken lasse sich nun in die nächste Phase des Projekts eintreten. Diese sieht nun die Erstellung der Klosterbuchartikel für die im Untersuchungszeitraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zur Reformation auf historischer, archäologischer sowie bau- und kunsthistorischer Ebene erfassten etwa 85 klösterlichen und stiftischen Niederlassungen vor.

Ein abschließendes Fazit der Autorin

Auf der zweitägigen Tagung ist es gelungen, die vielfältigen Themenkomplexe rund um die Klöster und Stifte Pommerns innerhalb prägnanter Sektionen zu bündeln und sich diesen aus unterschiedlichen Perspektiven zu nähern. Dabei wurden sowohl die bisherigen Forschungsergebnisse vorgestellt als auch neue Untersuchungsansätze und Fragestellungen zur Diskussion gebracht. Vor allem die neuen Forschungserkenntnisse zu konkreten Quellenfunden, materiellen oder archäologischen Überresten, erregten das Interesse des Fach- und Laienpublikums, wie die oft zahlreichen Fragen und Anmerkungen aus dem Plenum im Anschluss an die Vorträge bezeugten. Positiv in Erinnerung bleibt weiterhin der angeregte und kollegiale Austausch, der immer wieder Raum für gemeinsame Überlegungen zu offenen Fragen ließ. Der Tagungsband, in dem die vielfältigen Erkenntnisse vorliegen werden, soll im kommenden Jahr in der Reihe „Kieler Bausteine zur Klostergeschichte im Ostseeraum“, verlegt vom Schnell & Steiner Verlag in Regensburg, erscheinen.

Konferenzübersicht

  1. Mai

Grußworte

Christian Suhm, Greifswald, Jana Olschewski, Greifswald und Prof. Dr. Felix Biermann, Stettin/Szczecin, Halle a. d. Saale

 

Ein Klosterbuch für Pommern. Zum Forschungsprojekt und Publikationsvorhaben
Prof. Dr. Oliver Auge, Dr. Katja Hillebrand, Kiel

 

I Die Überlieferungslage der Klöster, Stifte, Konvente und Kommenden in Pommern

Moderation Felix Biermann, Stettin/Szczecin

Die schriftliche Überlieferung. Zum Quellen- und Archivbestand der Klöster und Stifte in Pommern
Robert Harlaß M.A., Kiel

Vergangen, doch nicht vergessen. Zur Geschichte der archäologischen Grabungen in Pommern
Dr. Andreas Kieseler, Kiel

Glaubenszeichen. Das bau- und kunstgeschichtliche Erbe der Klöster und Stifte in Pommern
Dr. Katja Hillebrand, Kiel

 

II Klöster und Landesherrschaft in Pommern

Moderation Prof. Dr. Emilia Jamroziak, Leeds

Zwischen Landesherr und Kloster. Das Verhältnis der Herzöge von Pommern zu den Prämonstratensern, Augustiner-Eremiten und Kartäusern im Mittelalter
Dr. Rafał Siminski, Stettin/Szczecin

„So hette aber hertzog Bugslaff noch zwo andere schwestern, die hat er beide in die cloester gegegeben, und eptyssin von jnen gemacht“. Töchter der Herzöge von Pommern im Spiegel der Quellenüberlieferung
Dr. des. Jasmin Hoven-Hacker, Göttingen

 

III Stadt und Kloster in Pommern

Moderation Prof. Dr. Dr. Jens E. Olesen, Greifswald

Klöster und städtische Gesellschaft. Eine komplexe Beziehung im Spiegel von Stiftungen und Schenkungen
Dr. Ralf Lusiardi, Magdeburg

Klosterbauten zwischen Ordensleben und städtischer Nutzung
Agnieszka Lindenhayn-Fiedorowicz M.A., Berlin

Stadtklöster und ihre bildkünstlerischen Ausstattungen
Dr. Burkhard Kunkel, Stralsund

 

Öffentliche Abendveranstaltung mit Abendkonzert in der Nikolaikirche Greifswald

 Buchpräsentation mit Büchertisch: Klöster für die Tasche: Der Reiseführer „Vorpommern und seine Klöster“

 

Das gesungene Wort. Anmerkungen zur klösterlichen Liturgie
Prof. Dr. Matthias Schneider, Greifswald
Moderation Prof. Dr. Oliver Auge, Kiel

Der Klang der Klöster
Ensemble Stella Nostra, Berlin

 

  1. Mai

IV Regional verbunden, überregional vernetzt

Moderation Dr. Andreas Kieseler, Kiel

Das Prämonstratenserstift in Belbuck/Białoboki. Eine frühe pommersche Gründung aus archäologischer Sicht
Prof. Dr. Felix Biermann, Stettin/Szczecin, Halle a. d. Saale

Neue Perspektiven auf die Zisterzienserinnen in Köslin/Koszalin und die Zisterzienserinnen in Wollin/Wolin
Prof. Dr. Emilia Jamroziak, Leeds

Die Johanniter in Pommern und ihre Einbindung in die Ballei Saxonia-Marchia-Slavia-Pomerania (Ballei Brandenburg)
Dr. Christian Gahlbeck, Berlin

 

V Internes Leben und externes Wirken der Klöster und Stifte in Pommern

Moderation Prof. Dr. Cornelia Linde, Greifswald

Die Siegel der Klöster und Stifte in Pommern, ihre Gestaltung und ihr Gebrauch
Dr. Martin Schoebel, Schwerin

Inschriften in pommerschen Klöstern – Erschließung und Erforschung
Dr. Christine Magin, Greifswald

Handschriften aus Klosterbibliotheken im Stadtarchiv Stralsund. Werkstattbericht zu einem Projekt am Leipziger Handschriftenzentrum
Dr. Matthias Eifler, Leipzig

 

VI Reformation in Pommern

Moderation Dr. Christine Magin, Greifswald

Die Reformation und ihre Auswirkungen auf die Klosterlandschaft Pommerns bis zum Dreißigjährigen Krieg
Dr. Dirk Schleinert, Stralsund

Das Nachleben der Frauenklöster in Bergen auf Rügen, Kolberg, Marienfließ, Stolp und Verchen nach der Reformation
Prof. Dr. Mario Müller, Hildesheim

 

Öffentlicher Abendvortrag

Moderation Dr. Katja Hillebrand
Klosterbücher aus der Sicht der Ordensforschung
PD Dr. Mirko Breitenstein, Dresden

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