ZISTERZIENSERINNEN

Marienfließ / Marianowo

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Zu den bedeutendsten Frauenklöstern Pommerns gehörte der Zisterzienserinnenkonvent in Marienfließ / Marianowo, den Herzog Barnim I. (1210/18–1278) 1248 im Süden seiner Herrschaft gründete. Der Konvent wurde nicht wie üblich bei einer Stadt oder Burg angesiedelt, sondern in einer weitgehend unbesiedelten Gegend bei Stargard / Stargard, wo er nicht nur der Verbreitung des christlichen Glaubens, sondern auch der Kultivierung des Landes dienen sollte. Die ersten Nonnen könnten aus dem Kloster Zehdenick in Brandenburg, aber auch aus der nur wenige Jahre zuvor gegründeten Zisterzienserinnenabtei Marienthal bei Stettin / Szczecin gekommen sein.

Zum Zwecke der Urbarmachung wurde das Frauenkloster reich ausgestattet. Es erhielt 1.100 Hufen, Fischfangrechte in den Flüssen und Seen des Klosterbesitzes sowie das Recht zu dessen freier Bewirtschaftung. Zudem wurden die Bewohner des Klosterlandes von Abgaben und Diensten für den Herzog befreit. Durch spätere Schenkungen, Verleihungen, Ankäufe und Patronatseinkünfte gehörte Marienfließ Zeit seines Bestehens zu den wohlhabenden Konventen Pommerns, in den v. a. Töchter der bedeutenden pommerschen Adelsfamilien eintraten, zuweilen aber auch junge Frauen aus bürgerlichem Hause…

Die Klosterkirche der Zisterzienserinnen Marienfließ / Marianowo von Südosten / Foto A. Kieseler
Die Klosterkirche der Zisterzienserinnen Marienfließ / Marianowo von Südosten / Foto A. Kieseler
Ein Teil des Westflügels, des einzigen erhaltenen Gebäudes der Klausur / Foto A. Kieseler

Von der Reformation bis heute

Mit dem Einzug der Reformation in Pommern sollte das Kloster aufgelöst und der Klosterbesitz dem Pommernherzog übertragen werden. Durch den Einspruch der pommerschen Adelsfamilien wurde es hingegen 1541 in eine Stätte für unverheiratete Frauen umgewandelt. Ab 1568/69 handelte es sich offiziell um ein evangelisches Jungfrauenstift, das mit kurzen Unterbrechungen bis 1945 bestand.

Heute ist Marienfließ der am besten erhaltene Klosterkomplex in Pommern. Zu diesem gehört die um die Mitte des 13. Jahrhunderts errichtete Klosterkirche, die schon vier Jahre nach der Klostergründung geweiht werden konnte. Es handelt sich um eine einfache, aus Backsteinen errichtete, vergleichsweise schmucklose Saalkirche von etwa 42 m Länge mit dreiseitig abschließendem Chor im Osten und Nonnenempore im Westen, die trotz zahlreicher Umbauten – 1892 wurde der Westgiebel der Kirche abgerissen und ein Glockenturm errichtet – in ihrer Grundgestalt noch heute besteht.

Von der südlich anschließenden Klausur hat sich der im Laufe der Zeit stark veränderte Westflügel erhalten. In dessen Verlängerung läuft nach Süden ein kleines einstöckiges Gebäude – wahrscheinlich der Rest eines langen Gangs, an dessen Ende sich über dem Nonnenbach der Abort des Klosters befand.

Von Ost- und Südflügel ist oberflächlich nichts mehr zu sehen. Im Umfeld des Klosters haben sich noch verschiedene Wirtschaftsgebäude, u. a. die ehemalige Bäckerei, und ein Gästehaus (ul. Jeziorna) aus dem 16. Jahrhundert erhalten.

"Eine unruhige, wunderseltsame Creatur"

Das bekannteste Mitglied des 1569 auf dem Landtag von Wollin / Wolin gegründeten Jungfrauenstifts in Marienfließ ist sicherlich Sidonia von Borcke (1548–1620). Nach der Legende hatte sich die in Stramehl / Strzmiele geborene Adelstochter als junges Mädchen bei ihrem Aufenthalt auf dem Wolgaster Herzogsschloss unsterblich in den jungen Ernst Ludwig, den späteren Herzog von Pommern-Wolgast (1545–1592), verliebt. Als dieser sie abwies, soll Sidonia die Herzogsfamilie mit einem Fluch belegt haben, durch welchen die Greifen binnen kurzer Zeit aussterben sollten – was sich mit dem Tode des kinderlosen Herzogs Bogislaw XIV. (1580–1637) letztlich auch bewahrheitete.

Sidonia von Borcke (1548–1620) / www.encyklopedia.szczecin.pl
Sidonia von Borcke (1548–1620) / www.encyklopedia.szczecin.pl

Nach dem Tod ihres Vaters 1551 gingen Besitz und Vermögen der Familie an Sidonias älteren Bruder Ulrich, der sich durch immense wirtschaftliche Schwierigkeiten gegen die Verheiratung seiner beiden Schwestern Sidonia und Dorothea stellte – denn die von ihm zu stellenden Mitgiften konnte und wollte er kaum aufbringen. In den Folgejahren kam es zu zahlreichen, teils handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den Geschwistern sowie zu mehreren Gerichtsprozessen, bei denen insbesondere die energische Sidonia eine bedeutende Rolle spielte.

Nach dem Tod ihrer Geschwister trat sie 1604, im Alter von 56 Jahren, in das Marienfließer Damenstift ein, wo sie als hochgebildete Frau und ältestes Mitglied zunächst als Vertreterin der Stiftspriorin fungierte. Diese Stellung verlor die nach der Überlieferung streitbare und gegenüber den jüngeren Stiftsdamen überheblich auftretende Frau jedoch schon im Jahr darauf. In der Folgezeit strengte sie mehrere Prozesse gegen ihre Vorgesetzten an, kämpfte weiterhin um ihren Teil des Familienvermögens, weshalb sie häufig das Stift verlassen musste, und geriet in private Auseinandersetzungen mit den anderen Stiftsdamen.

Diese warfen sich untereinander zahlreiche Vergehen, u. a. Unzucht und Diebstahl, vor; 1612 wurde Sidonia dann von drei Mitbewohnerinnen erstmals der Hexerei beschuldigt. Mit der angeblichen Hexerei Sidonias wurden dann auch mehrere plötzliche Todesfälle in Verbindung gebracht, u. a. der Stiftspriorin Magdalene von Petersdorff (1609) und des Beamten Joachim von Wedel (1552–1609/10), der einer Kommission zur Untersuchung der Streitigkeiten im Stift vorgesessen hatte. Auch die angebliche Verwünschung des Greifenhauses wurde ins Spiel gebracht, und so musste sich Sidonia 1617 erstmals offiziell gegen diese Vorwürfe in Stettin verteidigen. 1619 von ihrem Cousin, dem damaligen Stiftsverwalter Jost von Borcke, angezeigt, wurde sie auf Befehl des Herzogs Franz I. (1550–1620) auf der Oderburg bei Stettin festgesetzt und ihr anschließend der Prozess gemacht.

Nachdem sie alle Anschuldigungen, u. a. mehrfacher Mord, sexuelle Kontakte mit dem Teufel und die Durchführung magischer Praktiken, zunächst abgestritten hatte, wurde sie durch mehrfache Folter zu Geständnissen gezwungen und im August 1620 vor den Toren Stettins enthauptet und verbrannt.

Reisetipp

Die Stargarder Marienkirche / www.historiastargard.wordpress.com

Ausflug: Um die Kirche und den erhaltenen Westflügel des Klosters Marienfließ auch im Innern besichtigen zu können, sollte vorab ein Termin mit dem dortigen Pfarramt vereinbart werden (Tel. 0048 915613880).

Im weiteren Umland des ehemaligen Klosters empfiehlt sich ein Ausflug nach Stargard, wo mit der Stadtpfarrkirche St. Marien (14./15. Jh.) die größte Backsteinkirche Hinterpommerns steht (ul. Bolesława Krzywoustego 12).

Sehenswert sind außerdem das renaissancezeitliche Rathaus am Markt, mehrere historische Bürgerhäuser, die mittelalterliche Stadtbefestigung mit gut erhaltenen Toren und Türmen sowie die Ausstellungen des Archäologisch-Historischen Stadtmuseums am Markt und in der Bastei (Rynek Staromiejski 3 / Park Piastowski 1).

7 km südwestlich von Marienfließ liegt das Dorf Pansin / Pęzyno, wo sich eines der schönsten neuzeitlichen Schlösser Pommerns erhalten hat. Die Ursprünge des Gebäudes gehen auf eine Johanniterburg des 14. und 15. Jhs. zurück. Eine Besichtigung muss im Vorfeld mit dem privaten Besitzer vereinbart werden (0048 915776734).

Marienfließ vom Boden und aus der Luft

Für weitere Eindrücke zum Kloster Marienfließ schauen Sie doch gern in unser Video auf Youtube. Hier hat unser Mitarbeiter Thore Schlott unter anderem mit Hilfe einer Drohne ganze Arbeit geleistet.

Überblick.

Identifikation

Geistliche Zugehörigkeit
Zisterzienserinnen, Ordo Cisterciensis (OCist)
Patrozinium
Hl. Jungfrau Maria, aller Heiligen

Gründung/Aufhebung

Gründungsdatum
2. November 1248
Gründung durch
Barnim I. (um 1210/18–1278)
Aufhebungsdatum
1541/69

Ortslage

Ortslage
etwa 16 km ostnordöstlich Stargards, südlich des Dorfes Marienfließ nahe der Mündung des Marienfließes bzw. Nonnenbachs / Krępa in den Großen See / Jezioro Marianowskie
Kirchlicher Verwaltungsbezirk
Bistum Cammin

Spätere Nutzung

von 1563 bis 1945 evangelisches Damenstift, heute Pfarrkirche und Pfarrhaus

Weitere Informationen

Quellen und Literatur

[1] Dirk Alvermann: Eine unruhige, wunderseltsame Creatur. Das Leben der Sidonia von Borcke (1548–1620) (Rehna 1998).

[2] Tatiana Balczerak, Roman Kamiński: Architektura klasztoru Cysterek w Marianowie w świetle najnowszych badań architektoniczno-archeologicznych. In: Eugeniusz Cnotliwy, Andrzej Janowski, Krzysztof Kowalski, Sławomir Słowiński (Hrsg.): Nie tylko archeologia (Szczecin 2006), S. 257–262.

[3] Hermann Hoogeweg: Die Stifter und Klöster der Provinz Pommern 2 (Stettin 1925), S. 110–120.

[4] Janusz Jurkiewicz: Klasztor pocysterski w Marianowie. Zabytki Pomorza Zachodniego 1 (Stargard 2010).

[5] Lemcke, Hugo: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Stettin. Heft 8. Der Kreis Satzig (Stettin 1908).

Datensatz
JSON-Datensatz

Veröffentlicht am 14. Oktober 2022
Zuletzt bearbeitet am 3. April 2024
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