Johanniter

Alt Schlawe / Sławsko

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Zu den ältesten Niederlassungen der Johanniter in Pommern gehört die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts von einem Herzog Ratibor (zu dessen Identität s. u.) gegründete Kommende in Alt Schlawe. Neben dem dortigen Haus besaßen die wahrscheinlich aus Stargard a. d. Ihna / Stargard stammenden Johanniter auch zwei Gutshöfe (?) in Moitzlin / Myślino und Groß Jestin / Gościno, die etwa 80 km weiter im Westen, im Lande Kolberg / Kołobrzeg, lagen. Nachdem das Schlawer Land in den 1230er Jahren an das Herzogtum Pommerellen gekommen war, gelangten die Johanniter durch Übertragungen von Herzog Swantopolk dem Großen (um 1195–1266) und später vom Camminer Bischof Herrmann von Gleichen († 1289) in den Besitz zahlreicher Dörfer.

Neben der gewinnbringenden Verwaltung ihres Besitzes bestand die Aufgabe der Schlawer Johanniter v. a. in der Seelsorge. So besaßen sie das Patronat über die Pfarrkirchen in Alt Schlawe und einigen umliegenden Dörfern. Nach ihrem Umzug in die Mühlenstraße der 1317 einige Kilometer flussaufwärts gegründeten Stadt Schlawe / Sławno verrichteten sie auch dort die Pfarrdienste an der Stadtkirche. Die große Bedeutung der Seelsorge wird auch darin deutlich, dass zur Kommende neben den Ritterbrüdern stets eine Zahl an Priesterbrüdern gehörte.

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts verlor die Schlawer Niederlassung an Bedeutung und den Rang einer Kommende. Ein letzter Komtur, Nikolaus Karpsow, wird im Jahre 1351 erwähnt. Später unterstand die Niederlassung der östlich von Stargard gelegenen Kommende in Zachan / Suchań. Das Patronat über die Pfarrkirche in Alt Schlawe wurde 1357 an den Schlawer Stadtrat verkauft.

Priester- und Ritterbruder des mittelalterlichen Johanniterordens / nach Louis Braun u. a., Zur Geschichte der Costüme (München um 1890 [?]), Bogen 733; Bearb. A. Kieseler
Priester- und Ritterbruder des mittelalterlichen Johanniterordens / nach Louis Braun u. a., Zur Geschichte der Costüme (München um 1890 [?]), Bogen 733; Bearb. A. Kieseler

Die älteste geistliche Niederlassung Pommerns?

Pommern im 14. Jahrhundert, im Osten (gelb) die Länder Schlawe und Stolp, die im 12. und frühen 13. Jahrhundert womöglich eine eigenständige Herrschaft bildeten / nach R. Andree (Bearb.), Professor G. Droysens allgemeiner historischer Handatlas (Bielefeld – Leipzig 1886), S. 34–35 (Ausschnitt); Bearb. A. Kieseler
Pommern im 14. Jahrhundert, im Osten (gelb) die Länder Schlawe und Stolp, die im 12. und frühen 13. Jahrhundert womöglich eine eigenständige Herrschaft bildeten / nach R. Andree (Bearb.), Professor G. Droysens allgemeiner historischer Handatlas (Bielefeld – Leipzig 1886), S. 34–35 (Ausschnitt); Bearb. A. Kieseler

Die Frage, ob es sich bei der Johanniterkommende in Alt Schlawe möglicherweise um den ältesten Standort einer geistlichen Gemeinschaft in Pommern handelt, ist Teil eines seit mehreren Jahrzehnten andauernden Streits unter polnischen Historikern. Im Kern geht es dabei um den Stifter der Kommende, einen Herzog Ratibor, der 1238 in einer von Papst Gregor IX. (um 1167–1241) ausgestellten Bestätigungsurkunde der Ordensbesitzungen als solcher genannt wird. Früher war man mehrheitlich der Meinung, dass dieser mit dem 1155/56 verstorbenen Pommernherzog Ratibor I. zu identifizieren sei, sodass die Ansiedlung des Ritterordens spätestens um die Jahrhundertmitte – also womöglich noch kurze Zeit vor der Ankunft der Benediktiner in Stolpe a. d. Peene und der Prämonstratenser in Grobe – erfolgt sein musste. Eine zweite Theorie, die heute mehr Zuspruch findet, geht davon aus, dass es sich bei dem genannten Ratibor um den Herrscher einer in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts bis in die 1220er Jahre bestehenden, von Pommern unabhängigen Herrschaft im Raum Schlawe-Stolp / Sławno-Słupsk handelte und die Kommende demnach erst in den Jahren um 1180 gegründet worden sei.

Reisetipp

Altstadt und Hafen von Stolpmünde / www.poddabie.pl
Altstadt und Hafen von Stolpmünde / www.poddabie.pl

Ausflug:

Besonders lohnenswert sind ein Besuch im 4 km südwestlich gelegenen Schlawe / Sławno mit verschiedenen historischen Bauten des Mittelalters und der Neuzeit, im 25 km weiter östlich gelegenen Stolp / Słupsk mit mehreren mittelalterlichen Kirchen und Profanbauten, u. a. dem Pommerschen Herzogsschloss (heute Museum Mittelpommerns), sowie im nördlich gelegenen Ostseebad Stolpmünde / Ustka mit seinen wunderschönen Sandstränden und dem zwischen 1892 und 1904 erbauten Leuchtturm.

Naturfreunde kommen bei Kanufahrten auf der 130 km langen Wipper zwischen Treblin / Trzebielino und Rügenwaldermünde / Darłówko voll auf ihre Kosten.

Gegen die ältere These von der frühen Schlawer Gründung vor 1155/56 durch den auf Usedom residierenden Pommernherzog spricht vor allem, dass sich der Johanniterorden erst einige Jahre später im Osten Europas ausbreitete – ab 1159/60 in Böhmen, 1160 in der Altmark, 1166 in Kleinpolen, vor 1170 in Schlesien und um 1187 in Großpolen –, sodass es unwahrscheinlich erscheint, dass sich die Johanniter als erstes in das peripher gelegene Alt Schlawe begaben. Der Historiker Edward Rymar hält es allerdings für möglich, dass es im Zuge der während des Wendenkreuzzugs von 1147 durchgeführten Belagerung der Burg Stettin / Szczecin und der sich anschließenden Verhandlungen zu einem Treffen zwischen dem Pommernherzog Ratibor I. und dem am Kreuzzug beteiligten Olmützer Bischof Heinrich Zdik (ca. 1080–1150) gekommen sein könnte, bei welchem der den Johannitern wohlgesonnene Geistliche die Vermittlung zwischen diesen und dem Pommernherzog hergestellt haben könnte. Zudem sei ausgeschlossen, dass ein Herzog des Schlawer Landes den Johannitern neben dem Haus in Alt Schlawe auch – wie es der Bulle von 1238 zu entnehmen ist – Besitzungen in Moitzlin und Groß Jestin, die beide südlich von Kolberg und somit im Herzogtum Pommern lagen, zugewiesen habe. Für beide Seiten gibt es also gute Argumente, und so bleibt es zukünftigen Forschungen überlassen, die Identität des Stifters zu ermitteln.

Die ehemalige Hauptburg des Landes Schlawe

Der Standort der ehemaligen Burganlage von Alt Schlawe unmittelbar an der Wipper, von Norden / Foto Th. Schlott
Der Standort der ehemaligen Burganlage von Alt Schlawe unmittelbar an der Wipper, von Norden / Foto Th. Schlott

Bis zu seiner Verlegung in die 1317 gegründete Rechtsstadt Schlawe befand sich das Haus der Johanniter in der Burg von Alt Schlawe – dem damaligen politischen Zentrum der Region. Die Befestigung lag direkt an der Wipper / Wieprza, etwa 450 m südsüdöstlich der erst im 15. Jahrhundert errichteten Dorfkirche. Von der im 18. Jahrhundert noch teilweise erhaltenen Burgruine ist heute oberflächlich kaum noch etwas zu sehen. Nur aus der Luft lässt sich die kreisrunde Wehranlage erkennen, der auf der flussabgewandten Seite möglicherweise eine halbkreisförmige Vorburg vorgelagert war. Bei Ausgrabungen in den 1930er Jahren und einer kleinen Untersuchung im Jahre 1968 fanden sich neben typischer slawischer Keramik des späten 10. bis 13. Jahrhunderts auch einige Kleinfunde, u. a. zahlreiche Tierknochen, ein Eisenmesser, ein Hufeisen und ein steinerner Mörser. Konkrete Hinweise auf die Innenbebauung der Burganlage oder gar den Standort des Johanniterhauses ließen sich allerdings nicht gewinnen.

Überblick.

Identifikation

Geistliche Zugehörigkeit
Johanniter, Ordo Militiae S. Johannis Baptistae Hospitalis Hierosolimitani (OSM)
Ordensbezirk
Priorat Deutschland / Ballei Brandenburg

Gründung/Aufhebung

Gründungsdatum
Mitte oder Ende des 12. Jahrhunderts
Gründung durch
Ratibor (Herzog von Pommern oder Herzog von Schlawe-Stolp)
Mutterkloster
wahrscheinlich Kommende Stargard a. d. Ihna
Aufhebungsdatum
nach der Mitte des 14. Jahrhunderts

Ortslage

Ortslage
direkt an der Wipper / Wieprza, etwa 450 m südsüdöstlich der erst im 15. Jahrhundert errichteten Dorfkirche
Kirchlicher Verwaltungsbezirk
Bistum Cammin
Territoriale Zugehörigkeit
ab dem 12. Jahrhundert zum Herzogtum Pommern oder zum Herzogtum Schlawe-Stolp; ab den 1230er Jahren zu Pommerellen; ab 1307/08 zu Brandenburg; ab 1315 zum Herzogtum Pommern
Koordinaten

Spätere Nutzung

unbekannt, Gelände heute landwirtschaftliche Nutzfläche

Weitere Informationen

Quellen und Literatur

[1] Christian Gahlbeck: Adlige Netzwerke in der mittelalterlichen Ballei Brandenburg des Johanniterordens. Ordines Militares Colloquia Torunensia Historica 20, 2015, S. 65–101.

[2] Hermann Hoogeweg: Die Stifte und Klöster der Provinz Pommern 2 (Stettin 1925), S. 869–904.

[3] Tadeusz W. Lange: Przeoraty – baliwaty – komandorie. Zakon św. Jana Jerozolimskiego i jego placówki na terenie Polski. Szlakiem Krucjat 13 (Zabrze – Tarnowskie Góry 2021).

[4] Władysław Łosiński, Jerzy Olczak, Kazimierz Siuchniński: Źródła archeologiczne do studiów nad wczesnośredniowiecznym osadnictwem grodowym na terenie województwa koszalińskiego. Tom IV (Poznań 1971), S. 215–220.

[5] Marek Smoliński: Joannici w polityce książąt polskich i pomorskich (od połowy XII do pierwszego ćwierćwiecza XIV w.) (Gdańsk 2008).

[6] Marek Smoliński: Der Johanniterorden in Pommern und Pommerellen im Mittelalter – Politik, Wirtschaft, Menschen. In: Karl Borchardt, Libor Jan (Hrsg.), Die geistlichen Ritterorden in Mitteleuropa. Mittelalter (Brno 2011), S. 139–156.

[7] Maria Starnawska: Mnisi – rycerze – szlachta. Templariusze i Joannici na pograniczu wielkopolsko-brandenbursko-pomorskim. Kwartalnik Historyczny 99/1, 1992, S. 1–29.

[8] Maria Starnawska: Między Jerozolimą a Łukowiem. Zakony krzyżowe na ziemiach polskich w średniowieczu (Warszawa 2006).

[9] Helge bei der Wieden, Roderich Schmidt (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Deutschlands 12. Mecklenburg / Pommern (Stuttgart 1996), S. 150–151.

[10] Dariusz Wybranowski: Działalność i skład osobowy domów zaknonu joannitów w Księswtie Pomorskim w pierwszej połowie XIV wieku. Studia z Dziejów Średniowiecza 20, 2016, S. 339–370.

[11] Dariusz Wybranowksi: Przyczynek do genezy i rozwoju komandorii jannitów w Sławnie do połowy XIII. W. In: Jerzy Hauziński (red.), Pomorze słowiańskie i jego sąsiedzi X-XV w. Pomerania Mediaevalis (Gdańsk 1995), S. 61–74.

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JSON-Datensatz

Veröffentlicht am 30. November 2023
Zuletzt bearbeitet am 7. Dezember 2023
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