JOHANNITER

Alt Draheim / Stare Drawsko

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Kaum ein Landstrich Pommerns erlebte im Spätmittelalter eine so wechselvolle Geschichte wie das im Grenzraum zwischen Pommern, Brandenburg, Polen und dem Deutschen Orden gelegene Land Draheim im Osten des Dratzigsees / Jezioro Drawsko. Am Ende des 13. Jahrhunderts zu Großpolen gehörig, gab es Herzog Przemysł II. (1257–1296) im Jahre 1286 dem Templerorden zum Lehen, der 1290 bei einer slawischen Siedlung zwischen Dratzig- und Zepplinsee / Jezioro Czaplino die „Tempelborch“ errichtete und ein Jahr später die Stadt Tempelburg / Czaplinek zu deutschem Recht gründete. Nach dem Tod des Markgrafen Waldemar 1319 destabilisierte sich die Situation in der Neumark und dem Tempelburger Land durch mehrere Grenzkriege zwischen Brandenburg auf der einen sowie Polen und Pommern auf der anderen Seite jedoch derart, dass die Johanniter in ihrem neu gewonnenen Gebiet kaum Fuß fassten. Erst in den späten 1340er und den 1350er Jahren, als der Brandenburger Markgraf Ludwig II. (1328–1365) dem Orden das Land ein zweites Mal als Lehen bestätigt hatte und die Brandenburger nach einem Friedensschluss mit Polen die Johanniterkomturei in Tempelburg an den Orden zurückgegeben hatten, konnte dieser eine aktivere Rolle in seinen Besitzungen spielen…

Die Burgruine von Alt Draheim / Stare Drawsko aus der Vogelperspektive von Süden / www.drahim.pl
Die Burgen von Westen / nach Janocha 1972

… Im Süden seines Landes, bei Machlin / Machliny, errichtete der Orden die Grenzburg „Johannisburg“ – vermutlich nur eine Holzburg mit Palisadenwehr –, im Norden hingegen die mächtige Burg „Drahim“, die ebenfalls zunächst aus Holz bestand, von 1360 bis 1366 aber in Stein errichtet wurde. 1368 gelangte das Draheimer Land, wie es nun aufgrund der militärischen Bedeutung der neuen Grenzfeste genannt wurde, aufgrund der schwachen Politik des Brandenburger Markgrafen Ludwig V. (1346–1379) erneut an Polen.

Als der polnische König Kasimir der Große (1310–1370) starb, brachen erneut Grenzstreitigkeiten aus, die über 15 Jahre das Land beunruhigten. In diesen wurden auch die Johannisburg und die Komturei Tempelburg zerstört, sodass den Johannitern nur die Burg Draheim blieb. Die Draheimer Johanniter gerieten dann um 1400 in die Auseinandersetzungen zwischen dem Deutschen Orden und dem unter König Władysław Jagiełło (1362–1434) erstarkenden Königreich Polen, wobei ihnen die Lage ihres Gebietes zum Verhängnis wurde: Als der Deutsche Orden 1402 die gesamte Neumark erhielt, lag das Land Draheim wie ein Keil zwischen dieser und dem Ordensgebiet. Durch die polenfeindliche Politik der Johanniter sah sich der polnische König 1407 gezwungen, mit seinen Truppen vor die Burg Draheim zu ziehen. Als die Johanniter die Preisgabe der Burg verweigerten, wurde sie von den Polen erstürmt. Damit ging das Land Draheim für den Johanniterorden für immer verloren, die Burg Draheim diente fortan als Sitz eines polnischen Starosten.

Eine Feste für Jahrhunderte

Unter verteidigungstechnischen Gesichtspunkten war der flache Hügel auf der schmalen Landenge zwischen Dratzig- und Sarebensee / Jezioro Żerdno für die Errichtung von Befestigungen geradezu geschaffen. Bereits in der mittleren Slawenzeit (9. und 10. Jahrhundert) hatte hier ein slawischer Kleinstammeshäuptling eine hölzerne Ringwallburg errichten lassen, von welcher er das nahe Umland, die beiden angrenzenden Seen und die Nord-Süd-Route in diesem Gebiet kontrollieren konnte. Auf den Ruinen der Slawenburg, die wohl nicht viel länger als bis zum Ende des 10. Jahrhunderts bestand, errichtete dann der Johanniterorden in der Mitte des 14. Jahrhunderts eine Grenzburg, die kurze Zeit später zu seinem Hauptsitz im Lande Draheim werden sollte.

Womöglich zunächst aus Holz geschaffen, wurde die Befestigung zwischen 1360 und 1366 als Feld- und Backsteinburg über etwa quadratischem Grundriss von ca. 46,5 x 41 m errichtet. Im Norden und Süden war sie von wasserführenden Doppelgräben geschützt. Auf der Südseite stand das einzige steinerne Gebäude, das Wohn- und Wirtschaftszwecken diente – ein 11 m breiter, zweigeschossiger Bau, der sich über die gesamte Südseite erstreckte. Die anderen drei Seiten des Hofs, der mit Feldsteinen gepflastert und von Norden durch ein kleines Tor zu erreichen war, waren von hohen, bis zu 2,8 m breiten Mauern mit hölzernen Wehrgängen befestigt. Anders als bei den Johanniterburgen von Wildenbruch / Swobnica und Lagow / Łagów blieb die Anlage ohne Turmbauten, auf deren Errichtung man vermutlich aufgrund der günstigen Lage verzichtete. Weitere Burghofbauten, u. a. das sog. „Starostenhaus“ im Westen, kamen erst später hinzu.

Burgentwicklung in Alt Draheim
Burgentwicklung in Alt Draheim: Slawischer Ringwall des 9./10. Jhs. – Johanniterkommende des späten 14. Jhs. – polnische Starostenburg und Festung des 17. bis 18. Jhs. / nach Janocha et al. 1972 (Bearbeitung A. Kieseler)

Ob die mittelalterliche Burg in der Neuzeit mit Bastionen verstärkt wurde, wie dies zwei Pläne aus dem 17. Jahrhundert zeigen, konnte bislang nicht geklärt werden, da sich von diesen keine Spuren erhalten haben. Von der Burg, die im Polnisch-Schwedischen (1655–1660) und zuletzt im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) eine militärische Rolle spielte, sind heute nur noch Teile der mittelalterlichen Umfassungsmauern und des Südflügels erhalten.

Reisetipp

Rekonstruktion der slawischen Burg Sławogród in Czaplinek / Foto: JDavid
Rekonstruktion der slawischen Burg Sławogród in Czaplinek / Foto: JDavid

Ausflug: Die Burgruine Draheim liegt 5 km nordnordöstlich von Tempelburg / Czaplinek, unmittelbar an der Fernverkehrsstraße 163. In dieser befindet sich das Burgmuseum, in welchem Waffen, Münzen, Werkzeuge und andere Gegenstände des Mittelalters und der Neuzeit zu sehen sind und das in der Sommersaison an den Wochenenden geöffnet ist.

In der Stadt Tempelburg lohnt die Besichtigung der Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit (Kościół Świętej Trójcy, ul. Moniuszki 20), einer kleinen Backsteinkirche, die im späten 14. Jahrhundert an der Stelle der ehemaligen Templerkomturei errichtet wurde, und des Freilichtmuseums „Sławogród“ (Slawenburg, ul. Jesionowa 7), wo das Leben der mittelalterlichen Slawen und der Ordensritter zur Schau gestellt wird. Wer noch weiter in die Vergangenheit zurückreisen möchte, kann im Süden des Großen Cremminsees / Jezioro Krzemno einen gotischen Steinkreis aus der Zeit des ersten bis dritten Jhs. n. Chr. besuchen (am besten zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen; 53.509224, 16.180123).

Fans der jüngsten Militärgeschichte sollten unbedingt das ca. 20 km östlich von Czaplinek gelegene Militärgeschichtliche Museum in Groß Born / Borne Sulinowo (ehemaliger Truppenübungsplatz mit fahrtüchtigen Militärfahrzeugen) besuchen.  An den umliegenden Seen und Flüssen gibt es mehrere Kanu- und Kajak-Ausleihstationen, z. B. in Reppow / Rzepowo.

Info:

www.drahim.pl

www.slawogrod.pl

www.muzeum-borne.pl

www.wypozyczalniakajakow.pl/drawa

Überblick.

Identifikation

Geistliche Zugehörigkeit
Johanniter, Ordo Militiae S. Johannis Baptistae Hospitalis Hierosolimitani (OSM)

Gründung/Aufhebung

Gründungsdatum
1312/1319 (Errichtung der Burg von 1360 bis 1366)
Aufhebungsdatum
1407 (Eroberung der Burg)

Ortslage

Ortslage
ca. 5 km nordnordöstlich von Tempelburg / Czaplinek, unmittelbar an der Fernverkehrsstraße 163
Kirchlicher Verwaltungsbezirk
Bistum Cammin
Territoriale Zugehörigkeit
1312/19–1368 Mark Brandenburg, 1368–1407 Königreich Polen

Spätere Nutzung

ab 1407 Sitz eines polnischen Starosten; erneute militärische Nutzung im Polnisch-Schwedischen (1655–1660) und im Siebenjährigen Krieg (1756–1763), in Letzterem teilweise abgebrannt; zum Ende des 18. Jhs. Nutzung als preußisches Amtshaus; 1784 Teilabbruch der bereits stark in Mitleidenschaft gezogenen Burg zur Materialgewinnung für die unweit nördlich errichtete Kirche; ab 1818 in Privatbesitz

Weitere Informationen

Quellen und Literatur

[1] Fritz Bahr: Kirchengeschichte des Landes Draheim. Forschungen zur Kirchengeschichte Pommern 1 (Stettin 1931).

[2] Henryk Janocha: Badania archeologiczno-architektoniczne na zamku w Starym Drawsku (Drahimiu), pow. Szczecinek w 1963 r. Materiały Zachodniopomorskie 9, 1963, S. 315–332.

[3] Henryk Janocha: Badania archeologiczno-architektoniczne na grodzisku wczesnośredniowiecznym i zamku średniowiecznym w Starym Drawsku (Drahimiu), pow. Szczecinek (stanowisko 1), w latach 1964–1965. Materiały Zachodniopomorskie 11, 1965, S. 461–501.

[4] Henryk Janocha, Francziszek J. Lachowicz, Danuta Ptaszyńska: Gród i zamek w Starym Drawsku (Poznań 1972).

[5] Julius Kothe: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Pommern. Dritter Teil: Der Regierungsbezirk Köslin. Band 3: Die Kreise Schivelbein, Dramburg, Neustettin, Bublitz und Rummelsburg (Stettin 1934), S. 72–74.

[6] Helge bei der Wieden, Roderich Schmidt (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Deutschlands 12. Mecklenburg / Pommern (Stuttgart 1996), S. 147–148.

Datensatz
JSON-Datensatz

Veröffentlicht am 7. Oktober 2022
Zuletzt bearbeitet am 22. März 2024
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