Ordensgründerin zwischen Offenbarung und Politik

Birgitta von Schweden

In Finstad bei Uppsala im Jahr 1303 wurde nach gängiger Meinung Birgitta Birgersdotter in eine der einflussreichsten schwedischen Familien hineingeboren. Bereits 1316 wurde sie mit dem Lagman Ulf Gudmarsson, der später noch dem schwedischen Reichsrat angehören sollte, verheiratet. Acht Kinder, vier Söhne und vier Töchter, sollte sie zur Welt bringen. 1335 zog es Birgitta näher in den ständigen Umkreis des mit ihr entfernt verwandten Königs Magnus II. Eriksson als Hofmeisterin der jungen Königin Blanche von Namur. Damit war sie nicht nur Beraterin der Königin, also nah am politischen Geschehen Schwedens, sondern auch Erzieherin der Königssöhne Erik und Håkon. Ihre Zeit bei Hofe sollte jedoch nicht lange währen. Wahrscheinlich führten moralische Weisungen, die sie dem König und seiner Frau in großer Zahl vorlegte, um 1340 zu ihrer Entlassung.

Von: Arne Suttkus | 13. November 2021
Birgitta übergibt die Ordensregel an Nonnen und Priester, Druck aus Sunte Birgitten openbaring, gedruckt von Hans van Ghetelen 1496 / Universitätsbibliothek Kiel
Birgitta übergibt die Ordensregel an Nonnen und Priester, Druck aus Sunte Birgitten openbaring, gedruckt von Hans van Ghetelen 1496 / Universitätsbibliothek Kiel

Einkehr und Offenbarungen

Die folgenden Jahre waren geprägt von Pilgerreisen nach Trondheim an das Grab des Heiligen Olaf sowie nach Santiago de Compostela. Auf dem Rückweg aus Santiago erkrankte Ulf schwer. Zurück in Schweden zogen er und Birgitta sich in das Zisterzienserkloster Alvastra zurück. Nach dem Tod ihres Mannes 1344 kam es zum Durchbruch ihrer Visionen als Braut Christi in der Öffentlichkeit. Diese ursprünglich schwedischen „Revelaciones“ (Offenbarungen) fanden in lateinischer Übersetzung Verbreitung.

Kloster Alvastra in Schweden / Foto: Wikipedia
Kloster Alvastra in Schweden / Wikipedia

Streiterin in der höchsten Politik

Mit ihrem Umzug nach Rom im heiligen Jahr 1350 sollte Birgitta ihre Heimat niemals wiedersehen. Dennoch hielt sie den Kontakt nach Schweden aufrecht, vor allem über ihre Kinder und Schwiegersöhne. Trotz der großen räumlichen Trennung blieben ihre Schriften von einigem Einfluss auf die schwedische Politik. Denn Birgitta gab über ihre Offenbarungen eine Haltung zum Ausdruck, die sich mit scharfer Kritik gegen Magnus II. und seine Herrschaft richtete. Während all der Jahre übte sie als eine Art Matriarchin enormen Einfluss auf ihre Kinder aus. Ihr Sohn Karl Ulfsson etwa hatte vor seiner Vertreibung 1362 maßgeblich an der Absetzung des alten Königs und der Erhebung des Sohnes Håkon zu dessen Nachfolger mitgewirkt. Danach begab er sich zu seiner Mutter nach Rom. Dort brachte sich Birgitta zudem in Angelegenheiten des Heiligen Stuhls ein, der ab 1309 in Avignon residierte. Die streitbare Schwedin versuchte erfolglos, die Päpste zur Rückkehr an ihren angestammten Sitz zu bewegen. Auch der Hundertjährige Krieg zwischen England und Frankreich beschäftigte sie. In ihren späten Lebensjahren pilgerte Birgitta in das Heilige Land und starb kurz nach ihrer Rückkehr nach Rom am 23. Juli 1373.

Birgitta übergibt ihre niedergeschriebenen Offenbarungen dem Papst
Birgitta übergibt ihre niedergeschriebenen Offenbarungen dem Papst, Sunte Birgitten openbaring, gedruckt von Hans van Ghetelen 1496 / Universitätsbibliothek Kiel

Die Heilige Birgitta

Die meisten ihrer Kinder folgten Birgitta auf die eine oder andere Weise in ein geistliches Leben. In dieser Hinsicht ist bemerkenswert, dass auch Tochter Katharina, Äbtissin des Klosters Vadstena, eine Heiligenverehrung zukam, die jedoch nicht an die immense Bedeutung Birgittas heranreichte. Birgitta selbst wurde bereits 1391 durch Papst Bonifatius IX. heiliggesprochen, ohne dass dabei ihre weltliche Einbringung auf politischer Ebene eine Betonung gefunden hätte. Der Prozess der Heiligsprechung konzentrierte sich vielmehr auf die übliche Suche nach Wunderwirkungen. Heute genießt sie in der katholischen Kirche besondere Verehrung. Am 2. Oktober 1999 erhob Papst Johannes Paul II. Birgitta zu einer von drei Patroninnen Europas, neben drei Patronen.

Birgittas Ringen um ihre Ordensgründung

Für die Welt klösterlicher Lebensgemeinschaften zeichnete sich Birgitta als Gründerin eines eigenen Ordens aus, des Ordo Sanctissimi Salvatoris, des Erlöserordens. Auch hier musste sie ihre Streitbarkeit beweisen, denn die eigentliche Approbation wurde ihr zu Lebzeiten verwehrt, waren doch seit dem Vierten Laterankonzil 1215 Ordensneugründungen untersagt. Eine zweckmäßige Lösung lag in der Anpassung der Augustinusregel für das zu gründende Kloster in Vadstena. Am 5. August 1370 erteilte Papst Urban V. die Genehmigung zu der Einrichtung unter der Regula Salvatoris, in abgeänderter Form für die Gesamtkirche 1378 bestätigt per Approbationsbulle von Urban VI. Das Land und Schloss am Vättern, wo sich das Kloster befindet, wurde vom Königspaar Magnus und Blanche dem Orden testamentarisch überschrieben. Im Kloster überwog der weibliche Anteil mit 60 Nonnen und einer Äbtissin, die vom Konvent unter Mitwirkung des Diözesanbischofs gewählt wurde, dagegen 25 Männer unter der Aufsicht eines Generalkonfessors, zusammengesetzt aus 13 Priestern, vier Diakonen und acht Laienbrüdern. Die nominelle Verteilung ist darauf zurückzuführen, dass die Äbtissin als Vertreterin Marias auftrat, die 13 Priester als Stellvertreter der zwölf Apostel und Paulus. Die vier Diakone entsprachen den Kirchenvätern. So bestand die Konventsfamilie gewissermaßen aus 13 Aposteln und 72 Jüngern. Männer und Frauen waren räumlich, obgleich in einer Bauanlage, voneinander derart getrennt, dass sie einander nicht zu Gesicht bekamen.

Der Birgittenorden in Pommern und Europa

Der Birgittenorden verbreitete sich nach der Kanonisation seiner Gründerin von Vadstena aus über ganz Europa, angefangen in Italien, danach aber vor allem in skandinavischen und hansischen Gebieten. Auf pommerschem Boden wurde durch den Rat der Stadt Stralsund am 12. März 1421 das Kloster Marienkrone vor den Toren der Stadt gegründet. Als Mutterkloster fungierte Marienwohlde bei Lübeck, eine ebenfalls vom Stadtrat gegründete Niederlassung. Von der einstigen Klosteranlage in Stralsund hat sich im heutigen Stadtbild nichts erhalten. Der Straßenzug Mariakronstraße erinnert an die einstig hier ansässigen Nonnen und Priester.

Kloster Vadstena in Schweden / Foto: Wikipedia
Kloster Vadstena in Schweden / Wikipedia

Quellen und Literaturhinweise

[1] Bergh, Birger: Heliga Birgitta. Åttabarnsmor och profet, Lund 2002.

[2] Flemming, Stephan: Hagiographie und Kulturtransfer. Birgitta von Schweden und Hedwig von Polen, Berlin 2011 (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters, 14).

[3] Hägele, Günter: Birgitta von Schweden – Patronin Europas. Handschriften und Inkunabeln aus dem Birgittenkloster Maihingen im Ries. Ausstellung anlässlich des 700. Geburtstags der Heiligen Birgitta von Schweden. Universitätsbibliothek Augsburg, 19.11.2003 bis 9.1.2004, Augsburg 2003.

[4] Hergemöller, Bernd-Ulrich: Magnus versus Birgitta. Der Kampf der heiligen Birgitta von Schweden gegen König Magnus Eriksson, Hamburg 2003 (Hergemöllers Historiographische Libelli, 3).

[5] Hess, Cordelia: Heilige machen im spätmittelalterlichen Ostseeraum. Die
Kanonisierungsprozesse von Birgitta von Schweden, Nikolaus von Linköping und Dorothea von Montau, Berlin 2008 (Europa im Mittelalter, 11. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik).

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