PRÄMONSTRATENSERINNEN

Stolp / Słupsk

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Das Prämonstratenserinnenkloster von Stolp gehört zu den wenigen Klöstern Pommerns, die nicht von einem Mitglied des pommerschen oder des rügenschen Herrscherhauses, sondern von Mestwin II. (vor 1224–1294) aus dem Geschlecht der Samboriden gegründet wurden. Nach einem Transsumpt von 1323 hatte der Herzog Pommerellens, dem damals auch das Stolper Land gehörte, den Prämonstratensern aus Belbuck / Białoboki im Jahre 1281 die bei der Stolper Burg gelegenen Kirchen St. Nicolai und St. Petri sowie die sich in derselben befindliche Marienkapelle übertragen, um dort ein Frauenkloster zu gründen. Das Kloster sollte direkt an der wohl spätestens seit der Mitte des 13. Jahrhunderts bestehenden Nicolaikirche errichtet werden und wurde zwischen 1281 und 1284 mit Nonnen aus dem Prämonstratenserinnenkloster im hinterpommerschen Treptow / Trzebiatów besetzt.

Die ehemalige Klosterkirche der Prämonstratenserinnen im Nordosten der Stolper Altstadt; in dem stark umgebauten, im Kern jedoch mittelalterlichen Gebäude befindet sich heute die Stadtbibliothek / Foto A. Kieseler

Wo sich die Kirche und das Kloster ursprünglich befanden, ist bislang nicht abschließend geklärt. Früher ging man davon aus, dass sie zunächst außerhalb des späteren Stadtgebiets gelegen hätten und erst nach der deutschrechtlichen Gründung der Stadt 1310 in diese verlegt worden seien. Nach jüngeren Forschungen sei jedoch auch der älteste Kirchbau am heutigen Standort der Nicolaikirche – im äußersten Nordosten der (Alt)Stadt, direkt an der Stadtmauer und dem hinter dieser vorbeifließenden Fluss – errichtet worden. Das Frauenkloster überstand die pommerellischen Erbfolgestreitigkeiten in den Jahrzehnten nach Mestwins Tod, die kirchlichen und politischen Auseinandersetzungen im 14. und 15. Jahrhundert sowie mehrere Stadtbrände weitgehend unbeschadet und blieb auch nach der Reformation in Form eines evangelischen Jungfrauenstifts bestehen.

In der besonderen Gunst des Herzogs

Die herzogliche Grundausstattung für die Prämonstratenserinnen war beträchtlich: In den 1280er Jahren übertrug Mestwin dem Nonnenkloster neben der Nicolaikirche zahlreiche Dörfer, Fischereirechte auf den Garder- / Jezioro Gardno und dem Lebasee / Jezioro Łebsko, ein Fischwehr in der Stolpe / Słupia, eine angrenzende Mühle und Jagdrechte; außerdem befreite er den Konvent von Zöllen und Steuern und gewährte ihm den Heringsfang auf der Ostsee. Die umfangreichen Zuwendungen verdankte das Kloster wahrscheinlich einer besonderen Verbindung des Herzogs zu den Nonnen – genauer gesagt: zu einer Novizin namens Sulka bzw. Sulisława. Denn diese junge Dame, die dem pommerellischen oder großpolnischen Adel entstammte, nahm sich Mestwin zu seiner dritten Ehefrau. Die Heirat fand 1288, wenige Monate nach der Scheidung von seiner zweiten Frau, statt, doch hatte sich der Herzog die angehende Nonne wohl schon des Längeren als Mätresse gehalten. Die großzügige Ausstattung des Klosters ist höchstwahrscheinlich als herzogliche Entschädigung für den Verlust der angehenden Nonne und als „Schweigegeld“ für das Belbucker Mutterstift zu deuten. Dass es sich um eine Liebesheirat handelte und Sulisława das Kloster freiwillig für den etwa 70-jährigen Herzog verließ, ist zu bezweifeln. Und auch Mestwin ging es bei diesem Verhältnis in erster Linie um die Zeugung eines Nachfolgers. Denn aus seiner ersten Ehe mit Jutta von Wettin († 1075) waren „nur“ zwei Mädchen hervorgegangen, und seine zweite Ehe mit Euphrosine von Oppeln (1228/30–1292), die in erster Ehe mit Kasimir I. von Kujawien (ca. 1211–1267) u. a. den späteren polnischen König Władysław Ellenlang (1260–1333) gezeugt hatte, blieb kinderlos. Seine Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht, und mit dem Tode Mestwins war das Ende der Samboridenherrschaft in Pommerellen gekommen. Über das weitere Schicksal der Sulisława erfahren wir aus den Quellen nichts.

Der Gründer des Nonnenklosters, der Samboride Mestwin II., Herzog von Pommerellen / Fragment aus dem Stammbaum der Pommernherzöge von Cornelius Krommeny, 1598

Gewalttätige Auseinandersetzungen

Durch die engen Verbindungen zwischen Stolp und dem Belbucker Prämonstratenserstift – dem Mutterstift des Stolper Nonnenklosters und einem frühen Zentrum der Reformation in Pommern – verbreiteten sich die lutherischen Gedanken in der Stadt frühzeitig. Der Geistliche Peter Swawe (1496–1552), der Martin Luther (1483–1546) im Jahre 1521 zum Wormser Reichstag begleitet und bald darauf die Nachfolge des berühmten pommerschen Reformators Johannes Bugenhagen (1485–1558) als Lektor im Kloster Belbuck angetreten hatte, kehrte 1522 in seine Heimatstadt zurück und verkündete hier die neue Lehre. Auch der Belbucker Prämonstratenser Christian Ketelhot (um 1492–1546), der später zu den entscheidenden Reformatoren Stralsunds gehören sollte, kam in diesem Jahr nach Stolp, wurde Pfarrer an der Nicolaikirche und predigte hier die neue Kirchenlehre. Durch Betreiben des Camminer Bischofs Erasmus von Manteuffel (um 1475–1544) wurde ersterer jedoch verhaftet, letzterer alsbald abgesetzt.

Stiftsgebäude und Kirche an der Stolpe, von Osten (1920er oder 1930er Jahre) / WUOZ, Delegatura Słupsk (Bearb. A. Kieseler)

 Zu den religiösen Auseinandersetzungen in der Stadt kam der schon des Längeren in der Bevölkerung schwelende Unmut über die sozialen Missstände, den der leidenschaftliche Prediger Johannes Amandi (um 1470–1530) weiter zu befeuern wusste. Durch seine Reden aufgewiegelt, stürmte eine wütende Menge in die Marienkirche und zertrümmerte Altar und Heiligenbilder. Eine andere Gruppe brach zum Dominikanerkloster auf, wo es zwischen Altgläubigen und den Aufständischen zu einer handfesten Auseinandersetzung kam, im Zuge welcher mehrere Menschen starben und die Klosterkirche ausgeraubt und in Brand gesetzt wurde. Angerufen durch die Geistlichkeit erschien dann im November 1525 Herzog Georg I. (1493–1531), der im Gegensatz zu seinem mitregierenden Bruder der Reformation ablehnend gegenüberstand, in der Stadt und befahl dieser, den in den Kirchen angerichteten Schaden zu ersetzen. Gleichzeitig wurde aber auch ein lutherischer Prediger eingesetzt – Jakob Hogensee († 1573), der schon in der Danziger Marienkirche gepredigt hatte –, womit die neue Lehre in der Stadt amtlichen Einzug hielt. Mit der landesweiten Einführung der Reformation im Jahre 1534 wurden die beiden Stolper Klöster trotz der Proteste des Stadtrats vom Herzog Barnim (1501–1573) eingezogen. Zusammen mit vier weiteren pommerschen Frauenklöstern wurde das Stolper Jungfernkloster 1569 in ein Damenstift umgewandelt.

Vom Gotteshaus zur Bibliothek

Bei der älteste Nicolaikirche und den ersten errichteten Konventsgebäuden handelte es sich vermutlich noch um Holzbauten, die dann später durch Steingebäude ersetzt wurden. Die mittelalterliche Kirche, von der sich heute nur noch Teile der Außenwände und der Turm erhalten haben, wurde wahrscheinlich im 14. oder frühen 15. Jahrhundert errichtet. Es handelte sich um eine einfache Hallenkirche, die ursprünglich nur einen für Klosterkirchen typischen Reiter besaß und erst im Jahre 1477 um den Westturm – ursprünglich mit schlankem Helm versehen (Lubinsche Karte) – erweitert wurde. Mit der Umwandlung in ein evangelisches Damenstift bestanden Kirche und Klostergebäude zunächst unverändert fort. Nach einem verheerenden Brand im Jahre 1665 wurden die Stiftsgebäude umfangreich saniert; die Kirche wurde hingegen nur notdürftig überdacht und verfiel zusehends. Erst in den 1730er Jahren wurde sie auf Initiative des Obersts eines in Stolp stationierten preußischen Dragonerregiments instandgesetzt und in eine Garnisonskirche umgewandelt. Im Siebenjährigen Krieg diente sie dann den in die Stadt eingerückten russischen Soldaten als Gotteshaus. Ab 1771/72 wurde die Kirche als Armenschule und Internat genutzt, zu welchem Zwecke man zwei weitere Geschosse in die Kirchenhalle einzog. Während die Kirche seit der Reformation zu verschiedenen Zwecken und zuletzt als Schulgebäude gedient hatte, blieben die ehemaligen Konventsgebäude bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs von den Stiftsdamen bewohnt. Im März 1945 wurde die Stadt von der Roten Armee eingenommen, die die Altstadt niederbrannte; der Großteil der Bebauung, darunter auch der ehemalige Klosterkomplex der Prämonstratenserinnen, wurde dabei weitgehend zerstört. In den 1960er Jahren wurden die Ruine des Stiftsgebäudes abgetragen und die Kirche vollständig saniert und zur Stadtbibliothek umgebaut.

von Andreas Kieseler

Die ehemalige Klosterkirche mit modernem Anbau – die neue Stadtbibliothek nach Fertigstellung im Jahre 1971 / WUOZ, Delegatura Słupsk (Bearb. A. Kieseler)

Reisetipp

Witkacy - Selbstporträt, 1912/13 / Museum Digital Sachsen-Anhalt

Ausflug:

Trotz der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg gehört Stolp zu den sehenswerten Städten Hinterpommerns. Insbesondere die idyllisch an der ruhig dahinfließenden Stolpe gelegene Altstadt weist noch einige attraktive Baudenkmäler des Mittelalters auf, zu denen neben der Nonnenklosterkirche (ul. Grodzka 3; Bibliothek) die ehemalige Dominikaner- und Schlosskirche St. Hyazinth und das benachbarte Herzogsschloss (ul. Dominikańska 5–9), die Stadtpfarrkirche St. Marien (ul. Ignacego Łukasiewicza 7) und Teile der Stadtbefestigung mit dem Mühlentor im Südosten, der Hexenbastei im Osten und dem Neuen Tor im Westen gehören. Besonders sehenswert ist auch die Ausstellung des Mittelpommerschen Museums (Muzeum Pomorza Środkowego; im ehemaligen Herzogsschloss), zu der u. a. die größte Werksammlung des berühmtesten Vertreters der polnischen Moderne, Stanisław Ignacy Witkiewicz‘ (1885–1939), zählt. Etwa 16 km nordwestlich von Stolp liegt der beschauliche Badeort Stolpmünde / Ustka. Weiter im Osten erstreckt sich zwischen den Küstenorten Rowe / Rowy und Leba / Łeba der „Slowinzische Nationalpark“ (Słowiński Park Narodowy) – viertgrößtes Schutzgebiet in Polen und UNESCO-Biosphärenreservat – mit den berühmten Wanderdünen und seltenen Tier- und Pflanzenarten.

Überblick.

Identifikation

Geistliche Zugehörigkeit
Prämonstratenserinnen, Candidus et Canonicus Ordo Praemonstratensis (OPraem)

Gründung/Aufhebung

Gründungsdatum
1281
Gründung durch
Mestwin II., Herzog von Pommerellen
Mutterkloster
Stift Belbuck / Białoboki
Aufhebungsdatum
1534/1559

Ortslage

Ortslage
Im Nordosten der historischen Altstadt, unmittelbar an der Stolpe
Kirchlicher Verwaltungsbezirk
Bistum Cammin
Territoriale Zugehörigkeit
Herzogtum Pommerellen, Herzogtum Pommern, Brandenburg, Deutschordensstaat, Königreich Polen
Koordinaten

Spätere Nutzung

Evangelisches Damenstift (Konventsgebäude); Armenhaus, Schule, Bibliothek (Kirche)

Weitere Informationen

Quellen und Literatur

[1] Johann Ernst Benno: Die Stadt Stolpe. Versuch einer geschichtlichen Darstellung ihrer Schicksale bis auf die neueste Zeit (Cöslin 1831).

[2] Rudolf Bonin: Geschichte der Stadt Stolp. Erster Teil. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts (Stolp i. Pom. 1910).

[3] Ludwig Böttger (Bearb.): Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungs-Bezirks Köslin. Band. 2, Heft 4, Kreis Stolp (Stettin 1894).

[4] Rudolf Hardow: Die kirchlichen Bau- und Kunstdenkmäler in Stolp. In: Oskar Eulitz (Hrsg.): Stolp (Pommern) und seine Umgebung (Stolp [Pomm.] 1926) S. 78–102.

[5] Jacek Heidenreich: Początki reformacji i tumult religijny w Słupsku w latach 1521–1525. Słupskie Studia Historyczne 1, 1993, S. 83–104.

[6] Hermann Hoogeweg: Die Stifter und Klöster der Provinz Pommern 2 (Stettin 1925), S. 630–648.

[7] Zdzisław Machura, Halina Machura, Zofia Madeła: Przedziwne dzieje kościoła św. Mikołaja i zakonu norbertanek w Słupsku (Słupsk 2004).

[8] Barbara Popielas-Szultka: Fundacja klasztoru Norbertanek a początki lokacyjnego Słupska. Rocznik Słupski 1982/83, S. 30–52.

[9] Błażej Śliwiński: Mściwoj II (1224–1294). Książę wschodniopomorski (gdański) (Warszawa 2016).

[10] Marek Smoliński: Primogenitus et dilectissimus. Świętopełk gdański i jego synowie: Mściwoj II oraz Warcisław II. In: Beata Możejko, Anna Paner (Hrsg.): Ojcowie i synowie. O tron, władzę, dziedzictwo. W 700 rocznicę narodzin Larola IV Luksemburskiego króla czeskiego i cesarza 1315–1378, (Gdańsk 2018), S. 65–101.

[11] Zygmunt Szultka: Spostrzeżenia nad procesem reformacji w Słupsku. Zapiski Historyczne 83/2, 2018, S. 7–45.

Datensatz
JSON-Datensatz

Veröffentlicht am 14. November 2024
Zuletzt bearbeitet am 18. November 2024
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